2018-06-30  Bushmills → Derry

44ter TagAbfahrt08:24Distanz79,42kmHm ↑945m
33te EtappeAnkunft15:17Insgesamt3431,91kmHm ↓1058m

Es waren nur knappe 80km heute. Aber am Ende war ich genauso erschöpft, wie am Vortag nach 130km. Ich glaube, es kamen drei Faktoren zusammen: Es war im Landesinneren heißer als an der Küste, es gab einige lange und steile Steigungen (auf die ich auch nicht mental vorbereitet war) und meine Tagesform war auch nicht so toll.

Das B&B, in dem ich übernachtet hatte, lag (wie bereits erwähnt) recht abgelegen etwa 15km westlich von Ballycastle. Ein Vorteil dieser Lage war, dass ich am Morgen nur 11km bis zu der Top-Sehenswürdigkeit der gesamten Nordküste (wenn nicht sogar ganz Nordirlands) fahren brauchte - Giant’s Causeway. Auf dem Weg dort hin kam ich noch an der White Park Bay vorbei,

White Park Bay

die als eine der schönsten Buchten Irlands gilt und gleich darauf an den spärlichen Überresten von Dunseverick Castle.

Dunseverick Castle

Dann kam ich also nach Giant’s Causeway. An manchen Tagen ist es dort wohl recht überlaufen. Insofern war ich froh, dass ich schon kurz nach 9:00 dort eintraf. Der Andrang hielt sich noch sehr in Grenzen.

Markus vor Prismen

Im Grunde handelt es sich bei Giant’s Causeway um durch Vulkanismus gebildete Felsformationen, allen voran die bizarr verwitterten Basaltprismen.

Prismen 1

Prismen 2

Prismen hoch oben

Die ganze Bucht steht seit 1986 auf der Liste des UNESCO Weltkultur-Erbes. Und sie wird kräftig zu Geld gemacht. £10,50 musste ich Eintritt zahlen. Dabei war schon ein Rabatt von £1 abgezogen, weil ich nicht mit dem Auto gekommen war. Dafür bekam man einen Audio-Guide, der einem (auf etwa ein Dutzend Kapitel verteilt) in etwa 5 Minuten die geologischen Hintergründe erklärte, das ganze versetzt mit einer halben Stunde über allerlei Sagen und Aberglauben der Einheimischen. Da kam ich mir insgesamt ein bisschen verarscht vor.

Nach etwas mehr als 1,5 Stunden war ich mit Giant’s Causeway fertig. Auf der Website für Nordirischen Tourismus (auf der ich mich auf der Überfahrt von Liverpool viel informiert hatte) war hingegen davon die Rede, dass man mindestens einen halben Tag dafür einplanen sollte. Never!

Weiter ging’s zum nächsten berühmten Photo-Motiv: Dunluce Castle.

Dunluce Castle

Viele Busse, die irgend welche Reisegruppen von A nach B kutschierten hielten hier auf offener Straße einfach an, damit die Passagiere photographieren konnten. Natürlich mit laufendem Motor. In all dem Gestank habe also auch ich mein Bild geschossen.

Genau ab diesem Punkt verließ ich die unmittelbare Küste und bewegte mich weiter im Landesinneren auf mein Tagesziel Derry / Londonderry zu. Und sofort hatte ich wieder mit hügeligem Gelände zu tun. Es dauerte auch nicht lang, bis ich das erste Mal schieben musste.

Erstes Zwischenziel war Coleraine - eine hübsche Kleinstadt mit einer belebten Fußgängerzone und vielen Geschäften. Ich fuhr durch die Fußgängerzone um mir die weite Umfahrung der Innenstadt für Autos zu sparen. Coleraine liegt am Fluss Bann. Direkt nach Überquerung des Bann ging es wieder steil nach oben. Und das hielt tendenziell die nächsten 12km so an. Ich musste die Windy Hills mit etwa 200m Höhe überqueren. Die hatte ich überhaupt nicht auf dem Radar gehabt. Bei der Hitze war ich ganz schön geschafft, als ich endlich oben ankam. Hinten ging es dafür mit bis zu 70km/h wieder runter nach Limavady. Dort lachte mich ein Lidl an und weil es schon 13:00 war, kehrte ich dort ein auf einen Liter Fruchtjoghurt, zwei Bananen und zwei belgische Schoko-Cookies. (Letztere waren nicht so toll).) Am Vortag hatte ich noch die Kontaktfreudigkeit der Iren gelobt. Diesmal geriet ich während meiner Mittagspause an ein Exemplar mit Alkoholismus im Endstadium. Ich versuchte dieses widerliche Subjekt zu ignorieren, aber der lallte immer weiter auf mich ein. Als er schließlich anfing immer wieder vor mir auf den Boden zu spucken nahm ich Reißaus.

Kurz hinter Limavady musste ich für etwa 10km auf die stark befahrene A2. Es gab einfach keine praktikable Alternative. Ich war sooo froh, als ich endlich wieder auf kleine Nebenstraßen ausweichen konnte - auch wenn das gleich wieder mit Auf und Ab verbunden war.

Endlich erreichte ich Derry / Londonderry. Ich wurschtelte mich durch offensichtlich von Unionisten bewohnte Viertel (überall Union Jacks) durch bis zur Peace-Bridge über den Fluss Foyle.

Peace-Bridge

und erreichte so die eigentliche Innenstadt. Bis zum Abbey B&B war es dann nicht mehr weit.

Dort wurde ich von Sebastian empfangen. Er wollte mir zuerst das Zimmer 4 im ersten Stock geben, aber nachdem wir ein bisschen geschwatzt hatten, entschied er sich, mir das größere Zimmer 1 im Erdgeschoß zu geben. Außerdem bot er mir an, dass ich mein Fahrrad direkt ins Zimmer stellen könnte, weil sich dann meine Abfahrt am nächsten TMorgen einfacher gestalten würde. Als es ans Bezahlen ging ließ er durchblicken, dass er Bargeld bevorzugen würde. Ich hatte aber nur £40 in bar. Er hat sich dann damit zufrieden gegeben. Ich habe nicht protestiert smile

Weil es so heiß war, habe ich mich nicht lange mit Duschen und Umziehen aufgehalten, sondern bin sofort in den Fahrradklamotten zu einen Stadtrundgang aufgebrochen.

Derry ist berühmt für seine vollständig erhaltene Stadtmauer

Stadtmauer

Die davon eingeschlossene Altstadt ist recht hübsch und voller Kneipen. Am späten Samstag Nachmittag haben sich dort schon viele Bewohner und Touristen auf die Samstag Nacht vorbereitet.

Open Air Kneipen

Aber Derry ist auch berühmt als einer der Brennpunkte des Nordirland-Konflikts. Hier kam es 1972 zu dem berüchtigten Bloody Sunday. In Aufarbeitung dieser Ereignisse (von den Einheimischen euphemistisch die Troubles bezeichnet) gibt es eine ganze Reihe von Wandgemälden - manche mit offizieller Förderung, manche von den Einheimischen ohne offizielle Genehmigung erschaffen. (Letztere meist mit einer ganz expliziten politischen Botschaft.)

Hier ein Wandgemälde in Erinnerung an die 14jährige Annette McGavigan, dem 100sten zivilen Opfer der Unruhen. Sie kam ins Kreuzfeuer zwischen IRA und britischen Militärs und wurde zweimal in den Kopf getroffen.

Annette

Der Künstler hat das Bild später nochmal bearbeitet und dabei den Schmetterling als Symbol der Hoffnung eingesetzt. Das Gewehr an der linken Seite hat er durch ein zerbrochenes Gewehr ersetzt. Seiner Aussage nach möchte er das Bild noch weiter modifizieren, wenn der Versöhnungsprozess fortschreitet.

Dieses Bild zeigt einen britischen Soldaten, der eine Tür einschlägt. Das Bild erinnert an eine gigantische Razzia des britischen Militärs, bei dem dieses nicht zimperlich vorging.

Razzia

Das nächste Wandgemälde entstand in Kooperation von irischen und britischen (katholischen und protestantischen) Kindern und einigen Künstlern. Es symbolisiert Versöhnung und Hoffnung. Links daneben sind ein paar inoffizielle Plakate zu erkennen.

Versöhnung

Die meisten Details habe ich einer Stadtführung für ein paar amerikanische Touristen entnommen, der ich ein Stück gefolgt bin.