2018-06-06  Pierrefonds → Beauvais

20ter TagAbfahrt08:46Distanz90,24kmHm ↑713m
12te EtappeAnkunft???Insgesamt1418,15kmHm ↓726m

Es kündigte sich ein Regentag an. Aber dann bot sich beinahe optimales Fahrradwetter. In Beauvais musste ich in den sauren Apfel beißen. Dafür gab’s eine kuriose Kathedrale zu bestaunen.

Am Vortag hatte ich dann noch die Blog-Einträge für KW22 ausgelagert. Weil dazu alle Bilder nochmal hochgeladen werden mussten, war ich damit eine Weile beschäftigt. Erst um 0:30 kam ich ins Bett, konnte aber nicht gleich einschlafen. Später in der Nacht hatte es dann heftig gewittert. Morgens um 6:00 wurde ich durch das Regenprasseln auf das Fensterdach geweckt. Insgesamt war die Nacht nicht so erholsam. Der Wetterbericht von Meteofrance war auch nicht optimistisch. Mit Regenschauern musste den ganzen Tag über gerechnet werden. Kein guter Start in den Tag.

Aber zuerst mal gönnte ich mir ein richtig gutes Frühstück mit Müesli und Bananenshake. Währenddessen regnete es mal, dann hörte es wieder auf, dann fing es wieder an, …

Obwohl ich am Vortag schon einiges vorbereitet hatte dauerte die morgendliche Routine doch recht lange. Mit die letzte Aktion vor der Abfahrt war der Versuch bei meiner Vermieterin zu zahlen (nachdem sie am Vorabend nicht aufzufinden war). Mit Kreditkarte ging nicht, weil kein Lesegerät vorhanden. Scheck wegen Nicht-Besitzens auch nicht. Bargeld hatte ich nicht genug. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass sie mir eine Email schickt mit der Rechnung und der Kontoverbindung, damit ich ihr das Geld überweisen kann. Während dessen lief ihr grausliger Hund im Haus rum. Der hatte mich schon am Nachmittag des Vortags belästigt. Ein selten hässliches, stinkendes, saberndes, insgesamt ekliges Tier. Würg!

Um 8:45 fuhr ich dann endlich los. Mein Plan war zuerst in Rethondes das Freilichtmuseum über den Ersten Weltkrieg zu besuchen. Leider machte das erst um 10:00 auf. Ich war ziemlich genau um 9:00 dort. Eine Stunde wollte ich nicht warten.

Nicht viel besser ging es mir mit der zweiten Sehenswürdigkeit, die ich besuchen wollte: der Lichtung von Compiègne. Dort hatten Anfang November 1918 die Verhandlungen zwischen Franzosen und Deutschen über ein Waffenstillstandsabkommen stattgefunden. Um möglichst ungestört zu sein hatten sich die Delegationen auf einer ungenutzten zweigleisigen Bahnstrecke am Rand des Wald von Compiègne mit ihren Salonwagen getroffen. Die Verhandlungen dauerten 4 Tage, am fünften Tag (dem 11. November) wurde das (für Deutschland sehr harte) Abkommen unterzeichnet. Später hat man die Lichtung in eine Gedenkstätte ausgebaut. Noch später (am 22. Juni 1940) trafen sich Deutsche und Franzosen dort nochmal - unter umgekehrten Vorzeichen. Die Nazis hatten den Frankreichfeldzug so gut wie gewonnen und zwangen den Franzosen eine schmachvolle Kapitulation auf. Hitler bestand darauf, dass das Abkommen genau in dem gleichen Salonwagen unterzeichnet werden sollte, der auch schon 1918 zum Einsatz kam.

Diese geschichtsträchtige Stelle wollte ich also besuchen. Geöffnet ab 10:00 Uhr. Es war inzwischen vielleicht 9:15. Durch das Gatter besah ich mir, was ich verpassen würde und fuhr dann weiter zur dritten geplanten Sehenswürdigkeit: den kaiserlichen Palast in Compiègne.

Immerhin konnte ich den Palast von außen bestaunen. (Ich hatte nicht geplant, mir Tickets zu kaufen für die Innenräumen und die diversen Museen, die der Palast beherbergt.) Hier die Vorderseite

Kaiserpalast Compiègne vorne

Leider haben sie den Vorplatz als großen Parkplatz genutzt, so dass die Wirkung dieses Gebäudes stark eingeschränkt ist. Hier die Rückseite zum Garten.

Kaiserpalast Compiègne hinten

Den Garten selbst konnte ich nicht recht einfangen. Das Wetter war einfach zu diesig. Nach diesem Abstecher überquerte ich die Oise

Oise

… und fuhr die restlichen 75km über kleine Straßen bis nach Beauvais. Die Landschaft heißt Picardie - die Kornkammer Frankreichs. Das bedeutet also Felder soweit das Auge reicht. Wenig spektakulär. Ebenso wenig die kleinen Ortschaften durch die ich fuhr. Deshalb und weil das Wetter weiterhin sehr diesig war gibt es keine Bilder von unterwegs. Die ganze Fahrt über war es bedeckt. Mal dicker, so dass ich dachte es fängt jeden Moment zu regnen an. Mal fast schon aufgelockert, so dass ich erwartete, ich müsste gleich die Sonnencreme auftragen. Aber es blieb trocken.

In Saint-Remy-en-l’Eau fand ich einen recht hübschen Rastplatz an einem kleinen Bach. Gerne hätte ich endlich mal wieder ein Brotzeit-Foto geschlossen. Aber es gab keine geeignete Möglichkeit, wo ich meine Kamera für ein Selbstauslöserfoto hätte aufstellen können.

Ziemlich genau um 15:00 kam ich in Beauvais an. Zu diesem Zeitpunkt wurde es dann doch noch sonnig. Jetzt wurde es spannend. Ich hatte am Vorabend schon nach Unterkünften gesucht, aber nichts gefunden, was meinen Preisvorstellungen entsprach. Wieder musste ich feststellen, dass viele Häuser schon ausgebucht waren. In Beauvais gibt es noch die Besonderheit, dass im Norden ein gut frequentierter Flughafen liegt, so dass viele Hotels dort in der Nähe liegen. Für mich uninteressant. Ich hatte auch nach Hostels gesucht (garnichts) und B&Bs (nur im Umland). Ich hatte auch 8 Personen auf warmshowers.org kontaktiert, aber im Lauf des Tages nur eine Antwort erhalten von einem, der mich aber erst ab 21:45 hätte aufnehmen können. Also insgesamt diesmal ein totaler Fehlschlag.

Ich ging also in die Tourist-Info und fragte nach einer Liste von Unterkünften. Wie schon in Pierrefonds erhielt ich die Liste mit dem Angebot, dass man für mich die gewünschten Unterkünfte anrufen könnte. Irgendwas im Umkreis von 1km um das Zentrum und nicht so teuer. Da blieb schon nicht viel übrig und die waren alle voll. Das beste Angebot war noch ein 3-Sterne-Hotel in der Nähe des Bahnhofs zu einem Preis, der eigentlich schon jenseits meiner Schmerzgrenze lag.

Die einzige Alternative wäre gewesen weiter zu fahren und auf ein Landhotel oder B&B zu hoffen. Abgesehen von dem Risiko hatte ich dazu auch keine Lust. Mein erster Eindruck von Beauvais war so vielversprechend, dass ich mich hier ein bisschen umschauen wollte. Nach einigem Überlegen entschied ich mich also für die Option mit dem Hotel am Bahnhof.

Ich fuhr hin und beim Check-In wollte man mir dann nur ein wesentlich teureres Zimmer anbieten. Ich erklärte mehrfach, dass 10 Minuten zuvor die Dame von Tourist-Info einen anderen Preis genannt bekommen hatte. Sie hatte ihn sogar in der Liste der Unterkünfte notiert. Nach einigem Insistieren und einer Rückfrage bei jemand wichtigem (Geschäftsführer?) gab man mir dann das noch freie Dreier-Zimmer zum Preis eines Standardzimmers. Auf das Frühstück verzichtete ich diesmal. Ich wollte mir in einem Supermarkt was besorgen und auf dem Zimmer frühstücken.

Das Hotel ist etwas alt und gammelig. Meiner Meinung nach ist der Preis nicht gerechtfertigt. Ich hoffe, dass die Preise wieder vernünftiger werden, wenn ich mich wieder weiter von Paris entferne.

Nach Duschen und Wäschewaschen machte ich mich auf zu einem Kurz-Stadtrundgang. Hier die Mairie (Hotel de Ville) mit einem hübschen Platz davor.

Hotel de Ville Beauvais

In Beauvais gibt es eine beeindruckend große (d.h. hohe) Kathedrale.

Kathedrale Beauvais Chor

Leider hatte man sich damals etwas zu viel vorgenommen und die Statik nicht mehr ganz im Griff, so dass der zuerst fertiggestellte Chor schon wenige Jahre nach Vollendung teilweise einstürzte. Man verdoppelte darauf hin die Anzahl der Säulen im Chor von 6 auf 12. Dann ruhte die Bautätigkeit zwei Jahrhunderte bis man im 16ten Jahrhundert daran ging die Querschiffe zu vollenden und einen riesigen Turm auf die Vierung zu setzen. Auch hier griff man (im wahrsten Sinne des Wortes) zu hoch und hatte die Statik nicht mehr im Griff. Die Stützpfeiler des Turm zerbarsten und der Turm stürzte ein. Daraufhin wurden nur noch die Schäden beseitigt und statt des Turms ein Dach auf die Vierung gesetzt. Ein Langhaus wurde nie gebaut. Statt dessen steht an seiner Stelle noch ein Fragment der romanischen Vorgängerkirche.

Kathedrale Beauvais unvollendet

Ein ganz kurioser Bau. Die Höhe und Leichtigkeit aber ist (besonders innen) beeindruckend.

Südliches Seitenschiff

Und nach wie vor ist die Statik ein Problem.

Zusätzliche Stützen

Nach dieser Besichtigung suchte ich einen Supermarkt auf und besorgte mir ein Abendessen und ein Frühstück. Auf dem Rückweg stieß ich noch auf diese mittelalterliche Häuserzeile.

Beauvais' hippe Straße

Heute sind dort viele (offensichtlich recht angesagte) Lokale untergebracht.

Ich bin dann zurück ins Hotel. Gegen 20:00 fing es an kräftig zu regnen. Ich hoffte, dass es bis zum nächsten Morgen wieder aufhört.