2018-06-04  Reims → Pierrefonds

18ter TagAbfahrt08:11Distanz109,88kmHm ↑894m
11te EtappeAnkunft16:51Insgesamt1327,91kmHm ↓894m

Wieder mal plante ich meine Route erst am Morgen. Nach der etwas anstrengenden Etappe am Vortag wollte ich es diesmal etwas entspannter angehen lassen. Compiègne fiel aufgrund der Entfernung aus. Also entschied ich mich für Soissons. Dieses Ziel bot auch den Vorteil, dass ich bis dahin immer einem Kanal oder einem Flusstal folgen konnte. Für den Fall, dass mir die ca. 75km nicht reichten, fasste ich die Möglichkeit ins Auge nach Soissons weiter nach Westen dem Tal der Aisne zu folgen und mir irgendwo eine Unterkunft zu suchen. Ich spekulierte darauf, dass die nördlich der Aisne verlaufende D81 durch die südlich der Aisne verlaufende N31 soweit entlastet sein würde, dass ich dort bequem Rad fahren könnte. Andere Routen würden allesamt gleich ins umliegende Bergland führen. Ich dachte sogar daran, die Route auf den Garmin hochzuladen. smile

Weil das B&B-Hotel sich (auch) an Geschäftsreisende wendet gibt es das Frühstück dort schon ab 6:00, was mir sehr entgegen kam. Das Fahrrad packte ich gleich im Zimmer (sehr praktisch). Die Fahrt im Aufzug war etwas knifflig. Um kurz nach 8 ging es los. Das Wetter war ideal. Bedeckt, trocken, nicht zu warm, kein Wind.

Problemlos fand ich diesmal zum Kanal dem ich auf einem gut asphaltierten Radweg Richtung Norden folgte. Es dauerte allerdings keine 5km bis der Radweg zuerst in einen Feldweg und dann in einen Trampelpfad mutierte.

Pfad am Kanal

Und es wurde noch schlimmer. Irgendwann war nur noch ein handbreiter Pfad zu erkennen, überwachsen mit hüfthohem Gras, der Belag glitschiger Lehm. Das Rad und ich waren voller Grassamen, Insekten und Spinnweben. Am Ende des Radwegs hatte ich es versäumt, auf die D944 auszuweichen, weil ich dachte, dass das schon nicht so schlimm wird. Später hoffte ich auf eine in OpenStreetmap eingezeichnete Fußgängerbrücke, die mich zu einer anderen Ausweichmöglichkeit führen würde. Naja…

Alte Brücke

Ab Corcy gab es dann endlich wieder einen ordentlichen Weg neben dem Kanal. Ganz bequem kam ich so voran, bis der Kanal bei Berry-au-Bac auf die Aisne (bzw. den parallel verlaufenden Aisne-Kanal) stieß. Den auf OpenStreetmap eingezeichneten asphaltierten Weg entlang des Aisne-Kanals gib es allerdings nicht. Da war nur ein grasbewachsener Damm - nicht mal ein Pfad. Also musste ich ab hier auf die kleinen Straßen im Aisne-Tal ausweichen.

Das Aisne-Tal (bzw. die Höhenrücken nördlich davon) waren während des ersten Weltkriegs Schauplatz andauernder Stellungskriege. Zwar nicht so berühmt wie bspw. Verdun oder das Gebiet an der Somme, aber für ein paar zerstörte Dörfer, Quadrat-Kilometer Zone rouge und ein paar 10.000 Tote hat es dann doch gereicht.

Soldatenfriedhof

Die Fahrt über die kleinen Straßen klappte ganz gut. Ein paar kleinere Steigungen waren so aber unvermeidlich. Die Landschaft war lieblich. Wieder sah ich ein Feld voller Mohn.

Feld voller Mohn

Bei Saint-Mard fiel mir diese für diesen kleinen unbedeutenden Ort recht große Kirche auf.

Kirche von Saint-Mard

Trotz der eigentlich günstigen Umstände tat ich mir aber schwer mit dem Rad fahren. Meine Tagesform war wohl nicht die beste.

In Vailly-sur-Aisne wechselte ich auf die nördliche Seite der Aisne auf die D925. Hier war es vorbei mit der Gemütlichkeit. 6km lang musste ich auf dieser (auch von Schwerlastverkehr) stark befahrenen Straße fahren, bevor ich bei Missy-sur-Aisne wieder auf kleine Orts- und Verbindungsstraßen ausweichen konnte. Weil die Strecke hier auch wesentlich näher am Rand des Aisne-Tals verläuft waren spürbar mehr Steigungen zu bewältigen als auf der Südseite der Aisne. Nicht gut bei meiner Verfassung.

Gegen 12:30 kam ich in Soissons an. Ich fuhr erstmal zu Lidl (wegen des großen Fruchtjoghurts) und hielt eine ausgiebige Parkplatz-Brotzeit. Neben dem Kilo Joghurt gab es noch drei Bananen und einen Apfel. Ich überlegte, wie ich weiter vorgehen wollte, hatte aber erstmal keinen Plan. Ich fuhr in die Innenstadt auf Sight-Seeing. Die Abtei Saint-Léger

Saint-Leger

Das Innere der Kathedrale

Kathedrale innen 1

Kathedrale innen 2

Ruine der Abteikirche Saint-Jean-des-Vignes. (Die sah schon vor den 1. Weltkrieg so aus.)

Saint-Jean-des-Vignes

Soissons war zu Beginn des ersten Weltkrieg 13 Tage von den Deutschen besetzt, danach quasi Frontstadt und wurde zu 2/3 zerstört. Im französischen Wikipedia-Artikel zu Soissons gibt es ein eindruckvolles Panorama dazu. Nach dem Krieg wurde der Ort und insbesondere die Kathedrale wieder aufgebaut. Dadurch wirkt das Ortszentrum seltsam aufgeräumt.

Hier der Pracht-Boulevard Jeanne d’Arc.

Boulevard Jeanne d'Arc

Ich brauchte bis etwas 14:00 mit meinem Stadtrundgang. Während dessen klarte es auf und gleich wurde es unangenehm schwül. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich hier nicht die Nacht verbringen wollte. (Sorry Soissons!) Ich überlegte lange, wie ich weiter fahren wollte. Nach der Erfahrung mit der D925 verwarf ich den ursprünglichen Plan der D81 nördlich der Aisne Richtung Westen zu folgen. Außerdem waren auf die Schnelle praktisch keine Übernachtungsmöglichkeiten entlang dieser Strecke zu finden.

Dafür zeigte das Navi in Pierrefonds etwa 30 km entfernt, etwas südlich der geplanten Strecke eine Häufung von Hotels, Chambre d’Hôte (Gastzimmer) und Gîtes (Ferienwohnungen). Es war zwar auch abzusehen, dass ich dazu quer zu diversen Flusstälern fahren müsste. Aber meine Verfassung hatte sich durch das gute Mittagessen und die lange Pause in Soissons spürbar gebessert. Ich wusste nicht, auf was mich einlasse und fuhr los.

Die erwarteten Steigungen ließen auch nicht lange auf sich warten. Insgesamt drei davon musste ich hinter mich bringen.

Ungefähr ab Soissons fiel mir auf, dass auch die kleinen Käffer sehr gepflegt wirkten. Praktisch keine “A vendre” Schilder mehr. Dafür immer wieder auffällig prächtige Anwesen. Ich vermute ich erreichte bereits den Einflussbereich von Paris. Pierrefonds legte da noch eine Schippe drauf. Prachtvolle Gründerzeitvillen, dazu ein Schloss, das es locker mit Neuschwanstein aufnehmen kann.

Schloss Pierrefonds

Ich fuhr zur Tourist-Info, um nach einer Liste der Übernachtungsmöglichkeiten zu fragen. Die bekam ich auch - mit dem Hinweis, dass im Ort so gut wie alles ausgebucht sei. Wieso das? Es sind doch keine Ferien? Pierrefonds ist halt beliebt. Der Herr in der Tourist-Info bot sich an, für mich nach einer Unterkunft zu recherchieren. Ich war ihm sehr dankbar dafür. Die beiden Hotels am Platz waren voll. Als nächstes rief er eine Reihe von Chambre d’Hôte durch - wieder alles voll.

Letztendlich landete ich in einer Ferienwohnung. Die Vermieterin kam mir gleich freudestrahlend entgegen und zeigte mir alles. Nicht ganz billig, aber ein fairer Preis. Nach den kleinen Kammern der letzten Woche kam mir das wie ein Palast vor. Dazu so Annehmlichkeiten wie Küche, Waschmaschine, Gartenterasse, ein kleiner Swimmingpool. Ich beschloss zwei Nächte zu bleiben und am nächsten Tag das Schloss zu besichtigen, ein bisschen spazieren zu gehen und ansonsten auszuspannen. (Das Reiseblog wollte auch auf den neuesten Stand gebracht werden. Und die nächsten Tage wollten auch geplant werden.)

Ich fuhr danach noch schnell zum einzige Laden im Ort und kaufte ein paar Lebensmittel für die kommenden zwei Tage ein. Zum Abendessen bereitete ich mir dann ein einfaches, aber leckeres (und vor allem großes) Nudelgericht zu. Nach dem Blog-Eintrag für den 2018-06-03 war dann auch schon Schlafenszeit.