2018-05-30  Verdun

13ter Tag      

Ich bin also immer noch in Verdun. Es war die richtige Entscheidung das Hotel bis Donnerstag zu belegen. Wie es aussieht werde ich sogar bis mindestens Samstag verlängern müssen.

Der Schrauber im Fahrradladen Naturet (mittlerweile weiß ich auch, dass er Christian Varois heißt) hatte versprochen am Vormittag anzurufen. Derweil saß ich im Hotel rum und reparierte mein Reiseblog.

Am Morgen war mir nämlich aufgefallen, dass die Bilder nach der Umorganisation größtenteils nicht mehr angezeigt wurden. Ich hatte bei der Umorganisation größte Sorgfalt walten lassen, dass die bereits hochgeladenen Bilder wieder richtig referenziert werden und somit wieder sichtbar sind. Am gestrigen Abend unmittelbar nach dem großen Umbau waren sie auch noch da. Ich weiß nicht, wie die HackMD-Platform funktioniert, aber wahrscheinlich ist in der Nacht irgend ein Job gelaufen, der die Bilder gelöscht hat, in der irrigen Annahme sie würden nicht mehr benötigt.

Die Bilder werden von mir vor dem Hochladen beschnitten, verkleinert und stärker komprimiert. Ungefähr ein Drittel der verschwundenen Bilder hatte ich noch in dieser bearbeiteten Form auf dem Tablet. Die anderen 2 Drittel musste ich nochmal von der Kamera herunterladen und nochmal bearbeiten. Jedes einzelne Bild musste dann wieder hochgeladen werden und unter seiner neuen Adresse im Blog-Eintrag referenziert werden. Eine Heidenarbeit. Nach etwa 3 Stunden war ich fertig.

Ich sah mir dann nochmal die Strecke nach Reims an und stellte fest, dass es auch eine passable Route mit 126km gibt. Ich beschloss also am Donnerstag in einem Stück bis Reims zu fahren.

Deshalb recherchierte ich dann ausgiebig wegen einer Übernachtungsmöglichkeit in Reims. War nicht so einfach. Reims ist relativ teuer und für die kommenden Tage schon gut ausgebucht. Am unteren Ende der Preisskala waren ein paar wirklich gruselige Etablissements zu finden. Nach viel Recherche und einigen Telefonaten reservierte ich dann ein Zimmer im B&B-Hotel hinterm Bahnhof. Sicher nicht die beste Gegend. Aber das Hotel schien in Ordnung zu sein und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten.

Am Nachmittag um 14:45 erhielt ich einen Anruf von Naturet - aber es antwortete niemand, als ich mich meldete. Ich beschloss persönlich vorbei zu schauen.

Kurz nach 15:00 war ich vor Ort und Herr Varois zeigte mir das Problem: ein Seilzug, der das Getriebe steuert war gerissen. Dieser Schaltzug ist perfiderweise kein Standardschaltzug, sondern ist ungefähr 0,1mm dünner und läuft durch ganz knapp bemessene Öffnungen. Herr Varois hatte versucht etwas mit einem noch dünneren Stahlseil aus dem Anglerbedarf zu improvisieren, aber das stellte sich als zu schwach heraus. Ich bot ihm an, mal mit Rohloff in Deutschland zu telefonieren, was sich da machen ließe. Ich erreichte zuerst niemanden. Daher schickte ich zusätzlich eine Email mit meinem Anliegen an Rohloff, im Anhang zwei Bilder, die ich mit der Handy-Cam geschossen hatte, um die Sache zu verdeutlichen.

Schließlich erreichte ich doch jemanden. An seinem Deutsch hörte ich sofort den ganz leichten französischen Einschlag. Das sollte später noch sehr hilfreich sein. Zuerst versuchte Herr Götz von Rohloff mich an einen kompetenten (zertifizierten?) Rohloff-Partner zu vermitteln. In seiner Datenbank gab es für Verdun einen Laden namens Planet Bike. Er versuchte also, diesen zu erreichen und rief nach ein paar Minuten wieder zurück, um mir mitzuteilen, dass dieser Laden seit einem Jahr nicht mehr existiert. Danach versuchte er es bei einem Laden in Reims, nachdem ich ohnehin vorhatte, da hinzufahren. (Das Hinfahren mit nur einem Gang wäre aber alles andere als ein Spaß geworden.) Wieder rief er nach ein paar Minuten zurück, um mir mitzuteilen, dass da niemand abhebt.

Mittlerweile hatte sich Herr Varois bei mir erkundigt, was meine Anrufe ergeben hätten. Ich erzählte ihm das mit Planet Bike, worauf hin er mir mitteilte, dass er da früher gearbeitet hätte. (So langsam schloss sich der Kreis.) Diese Neuigkeit gab ich an Herrn Götz weiter. Der wollte sofort mit Herrn Varois sprechen. Ich gab mein Handy also weiter.

Ich stehe vor dem vermutlich einzigen für Rohloff-Naben ausgebildeten Fahrradmechaniker in Verdun und der telefoniert direkt mit einem Rohloff-Mitarbeiter, der der französischen Sprache mächtig ist. Halleluja!

Die beiden haben sich auch ausgiebig unterhalten. Am Ende bekam ich mein Handy wieder und ich erfuhr von Herrn Götz, dass das Spezial-Schaltseil umgehend in den Eilversand an Naturet geht. Wenn alles gut geht, dann trifft es am Freitag ein und ich kann am Samstag meine Reise fortsetzen. Allerdings steht dieser Best-Case auf des Messers Schneide, weil Feiertag in Deutschland am Donnerstag und dann Wochenende. Es kann also gut sein, dass es Dienstag oder Mittwoch wird, bis ich weiter kann.

Wieder 10 Minuten später rief mich Herr Götz nochmal an, um mir zu bestätigen, dass das Ersatzteil tatsächlich noch in den Versand gegangen sei. Er gab mir abschließend noch seine Email-Adresse und seine Handy-Nummer für alle Fälle und damit ich ihn über den weiteren Verlauf der Geschichte unterrichten könnte. Mir blieb angesichts soviel Engagement fast die Spucke weg. Ich gelobe hiermit, dass ich bis an mein Lebensende über den Kundendienst bei Rohloff nur in den höchsten Tönen schwärmen werde.

Trotz dieser Alles in Allem glücklichen Fügungen bin ich aber reichlich frustriert angesichts der Aussicht u.U. noch eine Woche hier hängen zu bleiben. Ich hatte mich dann noch nach Leihfahrrädern erkundigt, damit ich die Tage zumindest die eine oder andere Partie in die Umgebung machen könnte. Aber offensichtlich sind auf der ganzen Welt Leihfahrräder eine einzige Zumutung. Mit den Dingern die da angeboten wurden möchte ich nicht in das durchaus hügelige Hinterland aufbrechen. Einen Gepäckträger für die Brotzeit unterwegs scheint heutzutage ohnehin niemand mehr zu brauchen.